F: Hendrik, ich heiße dich herzlich willkommen in der Schindmähre und gratuliere zum wirklichen fetzigen Knalleralbum „Schwarze Bande“!
A: Danke, und als der Schreibtischtäter, der ich gerne bin, weiß ich die Gelegenheit, die Du mir damit gibst, wirklich zu schätzen.
F: Die Scheibe kam ja so ein bisschen aus dem Nichts und einige Computer-Krieger haben erst mal doof aus der Wäsche geguckt. Nur um dann wahlweise zu meckern, dass du das entweder „nicht darfst“ oder die übliche Leier abzulassen, von wegen Nazimusik, boykottieren, blabla. Hast du dir im Vorfeld Gedanken gemacht, wie die Platte – gerade auch von älteren Szenehasen – aufgenommen werden wird?
A: Also der Plan, dass ich mit Absurd auch wieder neue Lieder aufnehmen will, existiert bereits seit 2017 und ich habe das auch in der Szene-Öffentlichkeit genauso kommuniziert. Aber ich kann schon verstehen, dass die „Schwarze Bande“ für viele wie aus dem Nichts aufgetaucht ist. Ganz bewusst haben wir uns dagegen entschieden, diese Veröffentlichung mit den ansonsten üblichen Teasern und Samples anzukündigen. Das letzte Vollalbum von Absurd, „Blutgericht“, wurde 2005 veröffentlicht und Du erinnerst Dich sicherlich noch an das „Ad Astra Cruentus“-Debakel im Jahr 2014, als Wolf auf eigene Faust ein neues Album angekündigt hat und dann doch nichts passiert ist, weil Unhold damit nicht einverstanden war. Die Fans haben sich erst gefreut und wurden danach enttäuscht. Anstatt ihre Erwartungshaltung wieder anzuheizen und sie dann warten zu lassen, wollte ich das neue Album erst dann ankündigen, wenn es wirklich veröffentlicht ist und sofort gekauft werden kann. So haben wir das gemacht, und die „Schwarze Bande“ wurde mit durchweg positiven Rückmeldungen und Bewertungen von den Fans aufgenommen. Natürlich habe ich mir vorher auch Gedanken gemacht, wie das Album bei den Hörern ankommen wird, aber ich hatte nie Zweifel daran, dass es meinen Mitstreitern und mir gelingen wird, die Quintessenz dieser Band in ihrer gesamten Schaffensphase perfekt abzubilden und auszudrücken. So wird das Album dann auch fast einhellig bewertet, nämlich als eine gelungene Mischung aus der Absurd-Ära der 1990er und jener der 2000er Jahre.
F: Nun ist die „Grabgesang“-Mini ja noch nicht so lange her. Hat sie dir rein musikalisch gefallen (Intention, Marketing usw. mal außer Acht gelassen)? Ich finde sie großartig, doch bei der schwarzen Bande hat mich dieses klassische, abgrundtief unheilige Berserker-ABSURD-Gefühl begeistert. Doch ich würde sagen, dieses Gefühl, diese Geistesschwingung selbst, hat sich auch entwickelt. Vom juvenilen Drang und der kraftvollen Zerstörungsfreude zu einem ebenso ungestümen, aber erhabenen und gereiften Machtrausch. Wenn dir das jetzt nicht zu esoterisch klingt…
A: Das hast Du gut ausgedrückt, denn Absurd im Jahr 2022 ist natürlich nicht mehr identisch mit Absurd im Jahr 1992, obwohl es sich um ein und dieselbe Band handelt (jetzt bestimmt sogar noch mehr als in den vergangenen Jahren). Aber man entwickelt sich, als Mensch wie auch als Band, und diese Entwicklung wird dann auch von Texten und Liedern abgebildet und ausgedrückt. Besonders wichtig ist mir dabei, dass es keine Selbstverleugnung gibt und erst recht keine – und sei sie noch so subtil – Distanzierung von einer früheren Phase, in der eigenen Entwicklung und Bandgeschichte, aus opportunistischen Motiven. Deshalb kann ich „Grabgesang“ auch nicht als rundum gelungen bezeichnen. Unhold hat dem Wolf-Rüdiger Mühlmann ausrichten lassen, dass die „Grabgesang“ nur aufgenommen wurde, um mich damit zu ärgern, und auch, wenn ich das jetzt nicht für bare Münze nehme, so ist es dennoch nicht von der Hand zu weisen, dass „Grabgesang“ als Reaktion auf meine Fortführung der Band entstanden ist und andernfalls nicht existieren würde. Unhold hat seit 2008 nichts mehr für Absurd aufgenommen, und nach 2012 gab es auch keine Konzerte (mit ihm) mehr. Er hatte mehr als genug Zeit, um das Überalbum, welches man von Absurd erwartet hat, aufzunehmen, aber das ist nie passiert und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte sich an diesem Zustand auch nichts geändert, wäre nicht ich selbst mit Absurd ab 2017 wieder in Erscheinung getreten. „Grabgesang“ gibt es nicht, weil Unhold die Band unbedingt am Leben erhalten wollte, sondern, weil die Band auch ohne ihn am Leben ist. Musikalisch haben Unhold und Gelal auf „Grabgesang“ doch auch nur die Resterampe von Absurd und GBK abgeräumt (das Lied „Grabgesang“ wurde als Instrumental bereits 2005 aufgenommen, zum Beispiel), und die Rückkehr zum Logo mit Pentagramm und umgedrehten Kreuz soll vermutlich „unpolitisch“ wirken und als Abgrenzung von „rechten Inhalten“ dienen. Denn keiner von den Musikern, die an „Grabgesang“ beteiligt waren, hat in den 1990ern in Absurd gespielt, als genau dieses Logo von uns verwendet worden ist. Trotzdem würde ich nie behaupten, dass „Grabgesang“ in der Diskographie von Absurd gar keinen Platz haben soll. Aber man kann und darf diese Veröffentlichung ruhig kritisch betrachten, vor allem, wenn man sich ihre Entstehungsgeschichte anschaut und dazu auch noch weiß, wie die beteiligten Musiker sich dazu geäußert und was sie damit bezweckt haben.
F: Gab es musikalisch ein „Leitbild Dark Mark Doom“ oder haben sich die neuen Komponisten ganz von selbst an den älteren Phasen der Band orientiert?
A: Der neue Komponist ist mit der Musik von Absurd schon fast so lange vertraut, wie es die Band überhaupt gibt. Es gab bei ihm keine bewusste Entscheidung, wie er die Lieder schreiben will, sondern, er wusste ganz intuitiv, wie die Lieder sein müssen, damit sie für Absurd aufgenommen und veröffentlicht werden können. Rückblickend hätte es keine bessere Wahl als ihn geben können, weil er es zum einen gar nicht nötig hat, sich ausgerechnet als Komponist von Absurd zu profilieren, und weil er zum anderen über die Reife und Erfahrung verfügt, um das musikalische Vermächtnis von DMD und Unhold als Herausforderung und nicht als Handlungsanweisung zu verstehen.
F: Du sprichst Wolf und Unhold im Beiheft aufrichtige Anerkennung aus. Kannst und möchtest du dein momentanes Verhältnis zu den beiden beschreiben?
A: Ja, und das ist meine ehrliche Meinung. Als Mensch kann ich mit Unhold nicht das Geringste anfangen, aber als Musiker hat er meine Anerkennung und da gebe ich unumwunden zu, dass er Absurd für einige Zeit musikalisch geprägt hat. Wolf ist und bleibt natürlich mein Bruder, daran wird sich niemals etwas ändern, und wir stehen nach wie vor in Kontakt, auch wenn man sich, bedingt durch die Entfernung, nicht mehr so oft persönlich trifft. Er hat die „Schwarze Bande“ mit „Gut gemacht, wirklich gut!“ kommentiert. Wer auf einen Bruderkrieg gehofft hat, den muss ich enttäuschen. Auch unter Geschwistern gibt es doch immer wieder mal Auseinandersetzungen, dennoch ist Blut dicker als Wasser. Ohne Wolf und Unhold hätte es Absurd nach 1999 für lange Zeit nicht mehr geben können, weil ich bis 2007 inhaftiert gewesen bin, und für die tatkräftige Weiterführung der Band in dieser Zeit bin ich ihnen dankbar, denn damit haben sie damals ganz in meinem Sinne gehandelt.
F: Es gab ja viel Online-Drama. Mit verschiedensten Menschen, die meinen, sie hätten bezüglich ABSURD was zu melden. Keine Angst, wir wollen das hier nicht widerkäuen. Aber wie stehen die Chancen, dass dieses unwürdige Anscheißen endgültig vorbei ist?
A: Bis auf wenige einsame „Rufer in der Wüste“ ist doch niemand mehr der Meinung, mir die Legitimation zur Fortsetzung meiner eigenen Band ernsthaft absprechen zu wollen. Vor 20 Jahren gab es schon mal Aufregung über einen Line-Up-Wechsel, nachdem ich in den USA inhaftiert war und DMD sich von Absurd distanziert hat, aber damals habe ich überall erklärt, dass ich damit einverstanden bin und extra betont, dass es sich bei Wolf zumindest nominell um ein „Gründungsmitglied“ von Absurd handelt (auch wenn er bis dahin in der Band gar nicht mitgespielt hatte), und irgendwann haben sich die meisten Fans damit arrangiert und diesen Personalwechsel in der Band auch nicht mehr hinterfragt. Aber objektiv betrachtet war es natürlich so, dass weder Wolf noch gar Unhold einen eigenen Anspruch auf Absurd hätten geltend machen können. Es war nicht ihre Band, Punkt. Dann haben sie Absurd aber würdig weitergeführt, nur eben nicht über 2012 hinaus. Mit der „Größer als der Tod“-EP im Jahr 2014 wollte Wolf sich von Unhold emanzipieren, und die Arbeit an einem neuen Album anstoßen, aber daraus ist nichts geworden und 2017 gab es die Band nur noch dem Namen nach. Wolf hat es damals ja selber gegenüber Alexey / Militant Zone eingeräumt, dass es die Band seiner Meinung nach schon nicht mehr gibt und er auch keine Ambitionen hat, um Absurd wiederzubeleben bzw. mit anderen Musikern als Unhold weiterzumachen. Das war der Moment, als ich selbst aktiv geworden bin um Absurd, mit neuen Musikern und mir als Sänger, weiterzuführen. Wolf hat das gewusst, und mir dann sogar noch seine Verwertungsrechte an den Absurd-Aufnahmen, an denen er mitgewirkt hat, verkauft. Es ist also völliger Unsinn, zu behaupten, dass ich Absurd heimtückisch und hinterhältig „an mich gerissen“ habe, und Wolf und Unhold damit überrumpelt hätte. Ich bin das letzte verbliebene Gründungsmitglied dieser Band, und weder muss ich jemanden um Erlaubnis fragen, um mit Absurd weiterzumachen, noch muss ich meinen Anspruch auf die Band rechtfertigen und begründen. Allerdings kann ich die Skepsis einiger Fans nachvollziehen, die sich dann gewundert haben, ob Absurd in Zukunft noch genauso (gut) sein werden wie sie es von der Ära mit Wolf und Unhold her kennen. Der erste Auftritt mit neuen Line-Up, im Dezember 2017, war zwar noch suboptimal, aber das hatte sich mit den nachfolgenden Konzerten, vor allem in Kiew 2018 und in Frankreich 2019, doch schon deutlich verbessert und mit „Schwarze Bande“ wurden jetzt auch noch die letzten Zweifler überzeugt. Wer danach immer noch das Drama sucht und mit wirren Aussagen anheizt, dem geht es definitiv gar nicht um Absurd. Das ist dann nur ein Mittel zum Zweck, weil man aus ganz anderen Gründen ein Problem mit mir hat, und das haben mittlerweile auch die meisten Fans der Band verstanden und befassen sich aus Prinzip schon gar nicht mehr mit dem Thema. Am Ende ist für sie doch nur von Bedeutung, dass es Absurd immer noch gibt und die Band auch neue Musik aufnimmt und veröffentlicht. Mit „Schwarze Bande“ haben sie das Album bekommen, auf das sie seit „Blutgericht“ warten mussten, und wie gesagt, der Zuspruch ist wirklich überwältigend!
F: Du präsentierst dich auf „Schwarze Bande“ absolut kompromisslos. Groß im Digipack ist ein recht bekanntes Zitat zu sehen. Die Signatur darunter sollte die Zielgruppe unschwer erkennen. Zusammen mit den Texten und der hochwertigen Musik ist das eine echte Kampfansage. Ich nehme an, das war auch deine Absicht?
A: Selbstverständlich! Bei der „Schwarzen Bande“ blieb nichts dem Zufall überlassen und alle Aspekte der Veröffentlichung sind aufeinander abgestimmt, um ein Gesamtkonzept zu verwirklichen. Etwas ähnliches sollte damals auch mit „Asgardsrei“ erreicht werden, durch das komplementäre Zusammenwirken von Texten, Zitaten, Bildern und Liedern. Ich habe Black Metal so kennengelernt, dass es dabei immer um mehr als nur die Musik geht. Während ich mir die Lieder eines Demos oder Albums angehört habe, studierte ich die Liedtexte und betrachtete die Gestaltung des Tonträgers bis ins kleinste Detail. Darüber hinaus habe ich mich in den Interviews der Musiker über ihre Ideen, Visionen und Konzepte informiert. An diese Tradition sollte mit „Schwarze Bande“ angeknüpft werden. Das Album entfaltet erst dann seine volle Wirkung, wenn man Gestaltung, Texte, und Musik vor sich hat. Dafür wird man aber einen physischen Tonträger brauchen, einfach nur bei YouTube anhören oder die Lieder runterladen reicht dazu nicht, und das ist ebenfalls ein positiver Nebeneffekt.
F: Neben deinem starken Gesang haben mich auch die Texte überrascht, die in alter Tradition von unserem ewigen Kampf handeln. Dieser Kampf ist nicht zwingend auf den greifbaren Schlachtfeldern zu finden, sondern auch in uns selbst, im Hadern mit unserem Schicksal. Würdest du sagen, in einem Text wie „Rachedämon“ lassen sich auch biographische (kathartische?) Elemente finden?
A: Das will ich nicht abstreiten, denn diese Texte entstammen alle aus meiner Feder und deshalb kann man sie auch biographisch deuten. Wirklich überraschend sollten sie allerdings gar nicht sein, denn auf diese Weise habe ich bereits die Absurd-Texte auf „Weltenfeind“ verfasst. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass die Liedtexte umso beeindruckender sind, je authentischer sie verfasst wurden. Deshalb bevorzuge ich selbst auch Liedtexte mit „realen“ Referenzen, d.h. solche, die nicht ausschließlich der Fantasie entspringen. Das ganze Leben, ja, die gesamte Menschheitsgeschichte und überhaupt, die Evolution an sich, haben doch den „ewigen Kampf“ als Leitmotiv. Wie Du schon sagst, das hat auch nicht zwangsläufig etwas mit Gewaltanwendung und -erfahrung zu tun, sondern, mit dem Schicksal, das wir uns nicht aussuchen können, aber dem wir uns stellen müssen. Nicht selten ist es dann dieses Schicksal, dass einen in den Wahnsinn treibt und zu furchtbaren Taten befähigt. Auch davon legt die „Schwarze Bande“ Zeugnis ab!
F: Viele Textstellen lassen sich derart interpretieren, dass sie von den tapferen Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS handeln. Allerdings nicht plump glorifizierend, sondern eher ernüchtert, aber trotzdem voll Ruhmeswille. Gehe ich recht in der Annahme, dass du dich auf den heroischen Realismus von Werner Best beziehst? Wie würdest du diese Geisteshaltung definieren, romantisch, nihilistisch, schicksalshörig?
A: Diese Interpretation ist zulässig und ja, mit Deiner Annahme liegst Du völlig richtig. Der heroische Realismus von Werner Best war die hauptsächliche Inspiration für die „Schwarze Bande“. Allgemein ist man doch der Auffassung, dass es immer nur der Sieg ist, der über den Wert einer Idee entscheidet. Die Niederlage hingegen soll eine Idee entwerten, sozusagen beweisen, dass sie es nicht wert ist, dass an sie geglaubt wird, dass man sie verwirklichen und für sie kämpfen will. Aber in Wahrheit sind es gerade nicht die zahllosen Siege, die uns im Menschheitsgedächtnis stets präsent sind – für sie gibt es oftmals eine staatlich verordnete Erinnerungskultur mit eigenen Feiertagen, Denkmälern, und Ritualen – sondern vielmehr sind es die Niederlagen, die uns im Herzen berühren und auch Generationen später noch zum Weinen bringen können. Bestimmt jeder kann doch sofort ein Beispiel nennen, als Krieger und Soldaten ihr Leben in einem aussichtslosen Kampf geopfert haben. Deshalb ist auch die Tragödie schon immer die bestimmende Form des Dramas seit der Antike gewesen. Das tragische Schicksal von Helden, die in Erfüllung ihrer Pflicht den Tod empfangen, bewegt uns heute noch genauso wie vor tausenden Jahren. Nicht umsonst heißt es, dass Helden erst durch dieses Schicksal wirklich unsterblich werden. Wenn der Kampf auch vergeblich war und der Krieg trotzdem verloren geht, so hat doch dieses tragische Schicksal einen eigenen sittlichen Wert, der unabhängig von Sieg oder Niederlage besteht. Man sagt es so leicht, wer kämpft kann verlieren, aber wer nicht kämpft hat bereits verloren. Doch wer auf verlorenen Posten für eine verlorene Sache kämpft, dem geht es gar nicht um Sieg oder Niederlage. Es geht ihm um den Kampf um des Kampfes willen, weil sich nur darin jene sittliche Größe offenbart, die den Menschen vom Tier (das ausschließlich ums Überleben kämpft) unterscheidet. Das anzuerkennen, ohne diesen Kampf moralisch bewerten (war er für eine „gute Sache“ oder nicht?) zu wollen, war den Menschen in vergangenen Generationen sehr wohl möglich, aber heutzutage sprechen viele von ihnen ihren eigenen Vorfahren ab, als Helden gefallen zu sein. Allerdings bin ich überzeugt, dass dieser Versuch der posthumen Ehrabschneidung zum Scheitern verurteilt ist. Denn was hinter jeder Niederlage, die uns überliefert ist, unweigerlich hervorscheint, ist die Ahnung von einem „Was wäre, wenn?“. Die Welt wäre heute eine andere, hätte es diese Niederlage nicht gegeben, und je mehr Menschen unglücklich und unzufrieden sind mit der Welt, in die sie hineingeboren wurden und in der sie leben müssen, desto stärker ist die Sehnsucht nach jener anderen Welt, die für einen historischen Moment greifbar schien und doch in den Flammen von Troja oder dem Bombenhagel in Berlin unterging. Dass es Menschen gab, die aber genau dafür ihr Leben auf dem Schlachtfeld geopfert haben, das wird man nie vergessen und ihr Vorbild wird für viele andere immer inspirierend bleiben. Insofern könnte man diese Geisteshaltung wohl als romantisch-nihilistisch deuten, weil man zwar einerseits den heroischen Kampf bewundert aber andererseits akzeptiert, dass dieser Kampf nicht siegreich endet.
F: Würdest du die aktuellen, also „deine“ ABSURD als NSBM kategorisieren? Wenn ich das richtig beurteile, sehen Wolf und Unhold ABSURD nicht so, und es gab im Grunde seit „Asgardsrei“ auch keine einschlägigen Texte mehr. Oder sagen wir mal, keine Texte mehr, die Normalo-Metaller zu leicht nach „rechts“ drehen konnten.
A: Wenn man Absurd als NSBM kategorisiert, dann habe ich kein Problem damit. Ich selbst bin ein politischer Mensch, äußere mich dementsprechend und verarbeite meine Weltanschauung auch in Texten und Konzepten. Wolf und Unhold dagegen wollten Absurd unbedingt „unpolitisch“ erscheinen lassen; letzterer hat mir vorgeworfen, ich wolle immer „alles bis zur wortwörtlichen Vergasung nazifizieren“ und sein Kumpel Thomas Tantrumberger hat allen Ernstes behauptet – was erstaunt, ist er es doch gewesen, der dieses Album vor 10 Jahren akribisch restauriert hat – dass ich die Texte und Bilder auf „Asgardsrei“ ohne Wissen und Einverständnis von DMD verwendet habe, und deshalb die Band ganz allein durch mich in die „rechte Ecke“ gerückt wurde. Davon ausgehend war die Ära von Wolf und Unhold also angeblich geprägt von ihrem Versuch, Absurd von diesem „braunen Anstrich“, den ich der Band verpasst haben soll, wieder reinzuwaschen?! Natürlich ist das eine völlige Verdrehung der Tatsachen, aber wie gesagt, es ist leider wirklich so, dass dieser Eindruck auch nicht völlig von der Hand zu weisen ist. Du hast es bereits angesprochen, dass Wolf und Unhold sich durchaus bemüht haben, bei Absurd auf „einschlägige“ Texte, Symbole und Kontakte (zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung) zu verzichten. Dieser Versuch der „Entpolitisierung“ wurde zwar nie beim Namen genannt, aber interessanterweise kann man jetzt bei GBK etwas ähnliches beobachten. Wolf-Rüdiger Mühlmann will angeblich wissen, dass die Band allein durch Richard Mills „nazifiziert“ wurde und nach dessen Tod sind GBK schon wieder „unpolitisch“ geworden, bevor Unhold dann als Sänger dazu gekommen ist. Letzterer hat auf dem neuen GBK-Album auch ganz absichtlich keine Texte abgedruckt, damit niemand auf die Idee kommt, es könnte sich dabei wieder um antisemitische Traktate handeln. Offenkundig geht es Unhold um die „glaubhafte Bestreitbarkeit“; man kann ihm zwar vorwerfen, bei „rechten“ Bands wie Absurd und GBK mitzuwirken, aber ihm selbst kann man nicht nachweisen, „rechtes“ Gedankengut zu propagieren. Genau darauf hat Mühlmann in seiner Apologetik auch immer wieder abgestellt, indem er die Kritiker dazu aufforderte, aktuelle Beispiele für die „rechte“ Gesinnung des Unhold zu benennen. Obwohl in jedem anderen Fall die „Kontaktschuld“ um 88 Ecken greift, will man derartiges in diesem Fall nicht gelten lassen: Laut Mühlmann ist nämlich nur derjenige ein „Nazi“, der „Nazi-Dinge“ macht und sagt. Von Unhold ist dergleichen nicht bekannt, also ist er auch kein „Nazi“. Wenn man jetzt noch mich aus der Biografie von Absurd tilgen könnte, dann wäre auch die Band „rehabilitiert“. So etwas wird allerdings nicht passieren, darauf gebe ich Dir mein Wort!
F: Mir persönlich hat der Begriff NSBM noch nie zugesagt. Wie stehst du dazu? Ist es einfach eine leicht behinderte Wortkreation, mit der man sich eben arrangiert hat?
A: Ich gehöre zu den Schöpfern dieses Begriffs, der zum ersten Mal auf der „The Night & The Fog“-Compilation verwendet wurde. Ich habe damals auch ein Essay zur Begriffserklärung geschrieben und über die Paganfront veröffentlicht. Es ging dabei nicht in erster Linie um Politik, sondern, mit diesem Begriff wollte man sich gegen die Vereinnahmung des Black Metal durch Mainstream und Musikindustrie immunisieren. Du erinnerst Dich bestimmt, dass 1997/1998 die Ära des Generalboykotts, mit dem die Musikindustrie und -presse den Black Metal ab 1992/1993 belegt haben, unwiderruflich zu Ende ging und auf einmal Black Metal auch im Mainstream angekommen ist. Dimmu Borgir bei Nuclear Blast, zum Beispiel! Natürlich haben viele Bands, insbesondere aus Skandinavien, bei dieser Entwicklung bereitwillig mitgemacht und sie haben sich nicht nur von ihrer Vergangenheit distanziert, sondern waren auch bereit, Kompromisse einzugehen, um ihre Karrieren voranzubringen. NSBM aber sollte wieder eine scharfe Trennlinie zwischen Mainstream und Underground ziehen, weil nämlich selbst das zeitgenössische „anything goes“ in der dekadenten westlichen Gesellschaft dann an seine Grenze stößt, wenn jemand oder etwas mit NS in Verbindung steht oder gebracht wird. Es ist unmöglich und undenkbar, dass eine Band, die sich – und sei es auch nur in Interviews – positiv zum NS bekennt, von der Musikindustrie vereinnahmt werden kann. Eine Ausnahme wie Burzum bestätigt dabei die Regel! Heutzutage ist es im Übrigen gar nicht mehr nötig, dass man sich positiv auf den NS bezieht um zum Paria (sic!) zu werden: Mittlerweile ist doch jeder, der nicht dem linksgrünversifften Zeitgeist huldigt, automatisch „rechts“ und läuft Gefahr, gesellschaftlich stigmatisiert zu werden. Insofern hat sich der Begriff NSBM vielleicht auch schon überholt, und man sollte sich stattdessen auf die Ursprünge des Genres besinnen, als Black Metal per se gesellschaftlich geächtet und gefürchtet war. Politisch korrekter Black Metal ist ohnehin ein Oxymoron. Black Metal ist prinzipiell reaktionär, extremistisch und menschenverachtend!
F: Nun sind Nationalstolz, Volksbewusstsein oder gar Sympathien für den sozialen Nationalismus im Metal speziell in heutigen Zeiten ein leidiges Thema. Zum Jahrtausendwechsel herrschte in den extremeren Metalszenen noch eine – wie ich finde völlig angemessene – Gleichgültigkeit der Masse. Damals war Gutmenschentum noch nicht so angesagt, es hörten tatsächlich noch mehr extremere Charaktere als Dummfotzen BM und auch die restliche Gesellschaft war noch nicht im völligen „Woke“-Wahn. Wie empfindest du das, bekommst du heutzutage mehr Gegenwind als noch vor 20-25 Jahren?
A: Vielleicht bin ich dafür nicht der geeignete Zeitzeuge, denn seit 30 Jahren erfahre ich mal mehr und mal weniger „öffentliche“ bzw. mediale Aufmerksamkeit und deshalb wurde bei mir und Absurd schon immer genauer hingeschaut als bei anderen Protagonisten und Bands im (deutschen) Black Metal. Vermutlich gibt es niemanden sonst in Deutschland, der wegen Black Metal-affinen Aktivismus mehrfach vor Gericht stand und zu Haftstrafen verurteilt wurde. Also nein, der „Gegenwind“, von dem Du sprichst, ist für mich heute nicht weniger stark als zur Jahrtausendwende. Aber generell verstehe ich natürlich, was Du meinst, und teile Deine Auffassung: Spätestens seit der Digitalisierung des Genres, durch Internet und soziale Medien, wird der Black Metal von Szene-Touristen heimgesucht, welche sich aus den völlig falschen (idR rein „ästhetischen“) Gründen davon angezogen fühlen und auf einmal feststellen, dass ihr „wokes“ Weltbild im Black Metal gar nicht vorkommt. Das führt dann zu dem Reflex, dass sie den Black Metal mit neuen politisch korrekten Inhalten füllen und die Szene zu ihrem „Safe Space“ umbauen wollen. Solchen Bestrebungen sollten wir ganz konsequent und kompromisslos entgegentreten!
F: Allerdings wurde in den 2000er Jahren auch der Pagan/ Viking/ Schunkel-Trend immer schlimmer. Es gab stetig neue, noch miesere Bands, welche sich oftmals auch nicht zu schade waren, einen „Wir sind ja gar nicht rechts“-Hinweis in ihre Platte zu drucken. Siehst du diese Szene so negativ wie ich? Oder siehst du wenigstens das (oberflächliche) Interesse dieser Typen für das Heiden- und Germanentum positiv?
A: Das von Dir beschriebene Phänomen ist vermutlich exklusiv deutsch. Bei Pagan Metal-Bands aus dem Ausland ist eine derartige Distanzierung im vorauseilenden Gehorsam nicht verbreitet; so etwas wird für sie überhaupt erst zum Thema, wenn diese Bands in Deutschland auftreten wollen oder von deutschen Medien interviewt werden. Dann merkt man bei den betroffenen Bands aber das Unverständnis und den Widerwillen bei diesem Thema, weil es für sie eben nicht offenkundig ist, dass ihre jahrtausendealten vorchristlichen Symbole, Traditionen und Bräuche durch eine positive Bezugnahme in 12 Jahren der neueren deutschen Geschichte für immer kontaminiert sein sollen. Bestimmt würden auch fromme Hindus mit größtmöglichem Unverständnis auf die Ächtung der Swastika in unseren Breitengraden reagieren. Prinzipiell stimme ich Dir zu, dass der Pagan Metal zu oft als Sauf- und Schunkelmusik daherkommt und damit kann ich sowieso nichts anfangen, aber das eigentliche Problem dieser Bands, jedenfalls in Zentral- und Westeuropa, besteht mE in dem Versuch, ein Heiden- und Germanentum nachzubilden, welches uns allenfalls rudimentär und lückenhaft überliefert ist. Die Christianisierung des Abendlandes hat einen nicht heilbaren Bruch in der heidnischen Traditionslinie hinterlassen, und alles, was es seitdem in dieser Richtung gegeben hat, konnte und kann nur ein Neuheidentum ohne Anspruch auf historische Authentizität sein. Versteh‘ mich nicht falsch, ich bin an unserem vorchristlichen Erbe sehr interessiert, aber ich bin ebenso der Überzeugung, dass wir viel zu wenig darüber wissen, um es so, wie es früher war, wiederbeleben zu können. Deshalb sollten wir es vielleicht mit Wagner halten und uns mit der schöpferischen Energie von künstlerischer Vision und Fantasie einfach unser eigenes Heiden- und Germanentum erschaffen, anstatt die imaginierte Religion unserer bronzezeitlichen Vorfahren als neuzeitlichen Mummenschanz aufzuführen.
F: Soweit ich weiß, siehst du den Black Metal losgelöst vom „normalen“ Metal, was ich persönlich ebenfalls seit jeher so empfinde. Ich höre schon ewig Metal und beweg(t)e mich auch in entsprechenden Kreisen; doch spirituell, emotional und nicht zuletzt auch psychologisch haben diese beiden Musikstile nichts miteinander zu tun – eben weil BM nicht einfach nur Musik ist. Wie denkst du darüber?
A: Das ist völlig korrekt; und das größte Missverständnis über den Black Metal rührt von der irrigen Annahme, dass man es hier mit einem weiteren Subgenre des Heavy Metal zu tun hätte. Genau das Gegenteil war (und ist) jedoch der Fall; in der Black Metal-Szene der frühen 1990er herrschte Konsens, dass man mit „Metal“ nichts zu tun haben und sich stattdessen abgrenzen und isolieren will. Warum, weil der Black Metal eben so viel mehr als nur Musik sein wollte! Als Band ging man nicht nur in den Proberaum, um neue Lieder zu üben und aufzunehmen, nein, man verabredete sich auch zu Taten, mit denen man die Lieder Wirklichkeit werden lassen wollte. Es ging also immer um die Grenzüberschreitung zwischen Fiktion und Fakten; die eigene Kunst sollte die Realität verändern und schließlich ersetzen. Einen solchen Anspruch hat ansonsten niemand im „Metal“ je formuliert und umzusetzen versucht. Black Metal ist also viel mehr Aktions- als Kunstform, so hat man es in der Szene 1992/1993 jedenfalls empfunden und verstanden. Die Reaktion der „Metal“-Szene auf den Black Metal, zu dieser Zeit, verdeutlicht auch das völlige Unverständnis und die beiderseitige Entfremdung, welche erst viel später sukzessive überwunden werden konnte – leider!
F: Neben der neuen Vollscheibe gibt es auch eine Split-EP mit ABYSSIC HATE, auf welcher zwei Coverversionen zu hören sind. Ich weiß, dass Shane auf PINK FLOYD steht, aber warum hast du bloß die scheiß SEX PISTOLS ausgewählt?! Ich denke, die waren immer völlig fake. Eine kalkulierte, pseudorebellische Popband. Aber schön, dass du es eingedeutscht hast.
A: Punkrock war die erste subkulturelle Musik, mit der ich als Jugendlicher (in der DDR) in Kontakt gekommen bin. „Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols“ war dann die erste Platte, die ich mir noch in der Endphase der DDR auf dem Schwarzmarkt gekauft habe. Seitdem kenne ich auch keine Berührungsängste mit dem Punk; vor wenigen Tagen gab es zum Beispiel ein gemeinsames Frühstück mit ZSK in einer mitteldeutschen Pension. Aber gerade an so einem Beispiel wie ZSK sieht man, dass die meisten Punkbands hierzulande nur noch pseudorebellisches Maulheldentum praktizieren und ansonsten zu 100% auf politisch korrekter Regierungslinie sind. Angepasster und konformistischer kann eine Subkultur doch gar nicht sein! Da lobe ich mir den John Lydon, der diesen Verrat an der „Fuck off!“-Attitüde des frühen Punks beim Namen nennt und sich nicht scheut, für kontroverse Politiker und Positionen auch öffentlich Partei zu ergreifen. Allerdings fiel bei dieser Split-EP unsere Wahl deshalb auf die Sex Pistols, weil sie ebenso ikonisch wie Pink Floyd für das popkulturelle Vereinigte Königreich der 1970er stehen können. Shane hatte zuerst die Idee zum Pink Floyd-Cover und dazu wollten wir die passende Antipode aufnehmen. Diese Veröffentlichung ist jedoch als ein Experiment angelegt, und sie ist nicht repräsentativ für die beteiligten Bands und ihre Musik.
F: Thema Schriftzug: Ich verstehe deine Intention eines „unbelasteten“ Logos, finde es aber auch nicht vollkommen gelungen. Für mich sieht es etwas insektoid aus.
A: Das ist eben der visuelle Stil von Antichrist Kramer. Die Intention bei dem neuen Logo war allerdings gar nicht, dass es etwa „unbelastet“ sein soll, sondern, dass ich weder mit satanischen noch mit neuheidnischen Symbolen eine Erwartungshaltung an die Band aufrechterhalten will, die unsere Texte und Konzepte doch gar nicht mehr hergeben. Absurd sind nach wie vor Black Metal, gar keine Frage, aber es geht mir jetzt um etwas andere Inhalte als noch vor 20 oder 30 Jahren…
F: Da muss ich kurz auf die Live-Platte „Live in Suomi Finland Perkele 2008“ zu sprechen kommen: Kannst du uns eventuell aufklären, warum zur Hölle da ein Biber drauf ist? Ich meine, ich finde es ja ganz schön…
A: Weil die Gestaltung dieser CD in einer Behindertenwerkstatt erfolgt ist. Diese Live-Aufnahmen sind 2008 in Tampere, Finnland, entstanden. Der Biber, den man bei der CD-Gestaltung als Wolf missdeutete, gehört aber zum Stadtwappen von Eno, einer Gemeinde im Osten von Finnland. Von Tampere, dem Ort der Live-Aufnahme, ist Eno gut 500 Kilometer entfernt. Es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen dem Konzert in Tampere und diesem Stadtwappen; und seine Verwendung beweist doch nur, dass man sich um solche Detailfragen bei dieser Veröffentlichung gar nicht gekümmert hat: Wichtig waren nur das Veröffentlichungsdatum am 09.02.2019, dem Tag des bisher letzten Absurd-Konzerts (in Frankreich), und die wirklich strunzdämlichen Sprüche bzgl. „Das Original – nicht die Fälschung“, die in der CD abgedruckt sind. Im Gegensatz zu „Grabgesang“ betrachte ich „Live in Suomi Finland Perkele 2008“ auch gar nicht als Veröffentlichung, welche zur Diskographie von Absurd gehören sollte: Die Aufnahmen aus Tampere sind handwerklich zu schlecht, um davon mehr als nur ein paar Lieder (für die „Live & Raw in the North“-EP) verwenden zu können, und darüber hat in der Band auch Konsens geherrscht, denn andernfalls wären alle diese Lieder (und das dazu gehörende Video) schon lange vor 2019 offiziell veröffentlicht worden.
F: Als nach wie vor berühmte Persönlichkeit im deutschen und internationalen BM-Treiben gibt und gab es zahlreiche Gerüchte über dich. Ich habe kürzlich erst gehört, dass du ein V-Mann bist. (Wenn es so wäre, würdest du es mir nicht verraten, oder? Hehe) Welche Behauptung hat dich im Laufe der Jahre am meisten amüsiert (oder schockiert)?
A: Der einzige Geheimdienst, für den ich arbeiten würde, hat leider schon 1945 die Arbeit eingestellt. Diese V-Mann-Vorwürfe sind allerdings schon alt; sie wurden 2009 in der Gerüchteküche gebraut und danach u.a. von Riepe kolportiert, der damals meinte, alle Kundendaten bei Merchant of Death würden direkt an das BKA weitergeleitet. Die jüngste Wendung in dieser V-Mann-Geschichte ist der Hinweis auf Tino Brandt und Mirko Hesse, die in meinem Asylverfahren in den USA als Zeugen für mich aussagen sollten. Beide wurden später als V-Männer enttarnt; bei Hesse dauerte das allerdings bis weit nach der NSU-Affäre. Jedenfalls waren sie weder mir noch der National Alliance im Jahr 2001 als V-Männer bekannt, aber weil sie’s nun mal gewesen sind, muss ich es doch auch (gewesen) sein. Kontaktschuld einmal anders, haha. Allerdings wäre Wolf dann noch viel mehr davon betroffen, denn er hat damals mit Tino Brandt / Thüringer Heimatschutz viel mehr zu tun gehabt als ich, der ihn überhaupt nur einmal zur besagten Asylverhandlung in den USA gesehen und ansonsten nie mit ihm gesprochen hat. Zum Beispiel organisierten sie gemeinsam das – Überraschung! – polizeilich verhinderte Heldentum-Konzert im Jahr 2001. Praktisch alle Gerüchte, die Du erwähnst, haben ihren Ursprung in Ostthüringen und Berlin, und werden dann durch „interessierte Dritte“ im Ausland kolportiert, wo sie früher oder später dank der stillen Post auch im Internet auftauchen. Irgendwann bekomme ich davon zu hören; aber ganz ehrlich, ich beschäftige mich ansonsten nicht damit, weil’s mir einfach zu dumm ist. Ich erlebe staatliche Repression in Form von Anzeigen, Hausdurchsuchungen, Anklagen, Gerichtsverhandlungen, Bewährungsstrafen, bis hin zum Passentzug, aber man sagt mir nach, ich wäre gleichzeitig ein V-Mann für diesen Staat? Die militante Antifa späht mich aus, brennt meine Autos ab, greift mich an und veranstaltet Demonstrationen in meiner Straße, aber es wird behauptet, ich mache mit den Zecken gemeinsame Sache? Das alles ergibt doch keinen Sinn! Amüsant sind die Gerüchte in ihrer unfassbaren Dummheit, wenn zum Beispiel behauptet wird, ich hätte Wolf mit Alkohol gefügig gemacht, damit er mir Verträge unterschreibt, oder, ich hätte eine andere Band bei bundesdeutschen Behörden als NSBM-Band angeschwärzt, um ein mildes Urteil vor Gericht zu kriegen, aber schockierend ist dann allenfalls, dass es trotzdem noch dümmere Menschen in dieser Szene gibt, die so etwas unhinterfragt glauben.
F: Bei einigen Vertretern „unserer“ Szene hast du ja einen eher zwiespältigen Ruf. Wie kommt’s? Hater, Neider, Lügner?
A: In der Tat, es geht dabei immer wieder um Rivalitäten und Kränkungen. Du kannst mir einen beliebigen Urheber von o.g. Gerüchten nennen, und ich kann Dir genau sagen, worin seine Motivation besteht. Der eine fühlt sich übervorteilt, der andere hintergangen; in einer so kleinen und überschaubaren Szene kommt es eben schnell zum Futterneid, und Profilneurosen lassen sich nicht ausleben, wenn man glaubt, dass jemand anderes schon im Rampenlicht steht. Vielleicht hat es auch einfach damit zu tun, dass ich von 2001 bis 2007 gar keinen Kontakt in die Szene mehr hatte und sich hier viele Leute während meiner Abwesenheit ganz kommod eingerichtet haben, während man ihnen den Eindruck vermittelte, bei meiner Rückkehr würde ich als Maskottchen des NSBM zur Verfügung stehen und ansonsten gar keine eigenen Ambitionen haben. Das war ein Trugschluss; selbstverständlich wollte ich immer genau dort weitermachen, wo ich nach meiner erneuten Inhaftierung gezwungenermaßen erst einmal aufhören musste. Dadurch ist es seitdem zu einer Konkurrenzsituation, mit anderen Protagonisten, in dieser Szene gekommen, auf die mein „zwiespältiger Ruf“, von dem Du sprichst, sehr wahrscheinlich zurückzuführen ist. Für die einen bin ich der Nazi, für die anderen ein Jude – man muss schon verdammt viel richtig machen, um so zum universalen Feindbild zu werden!
F: Ich möchte nicht weiter im Gossip wühlen oder irgendwelche Fronten heraufbeschwören, trotzdem natürlich die Frage, wie es mit ABSURD weitergehen soll? Planst du auch wieder Livekonzerte?
A: Ja, neue Auftritte sind definitiv geplant. Weil Absurd aber schon immer mehr ein Studioprojekt als eine Liveband gewesen sind, wollen wir zuerst noch einige Aufnahmen abschließen und neue Veröffentlichungen rausbringen. Noch in diesem Jahr sollen zwei weitere Split-EP’s erscheinen; zum einen mit Evil und dann auch noch mit Vothana. Anfang 2023 wird auch noch ein Minialbum von uns geben; wieder mit ganz neuen Liedern. Danach werden wir schauen, wann und wo es wieder ein Konzert von Absurd geben kann!
F: Da fällt mir ein: Kannst du etwas zu deinen Mitstreitern auf „Schwarze Bande“ sagen? Die Herrschaften haben jedenfalls vorzügliche Arbeit geleistet!
A: Ja, weil sie alle auch ihre eigenen Bands haben (z.T. sogar fast schon so lange wie es Absurd gibt) und sich damit auch vor niemanden verstecken müssen. Im Moment würde ich ihre Beteiligung aber weder bestätigen noch dementieren, weil es uns allen ein wichtiges Anliegen ist, dass man ihre Musik bei Absurd als etwas Eigenständiges wahrnimmt. Als Unhold und Gelal im April 2019 im Studio waren, da ging es eigentlich um GBK und man hat nur nebenbei auch noch einige Lieder aufgenommen, welche danach unter Absurd veröffentlicht worden sind. Es war also mehr oder weniger ein GBK-Nebenprojekt und die Leute haben auf die Nachricht hin, dass Gelal daran beteiligt ist, auch gleich spekuliert, ob das alles dann so klingen wird wie man es von seinen anderen Bands her gewohnt ist. So etwas wollten wir bei „Schwarze Bande“ vermeiden, deshalb gab es von unserer Seite aus auch keine Auskunft über die Musiker auf diesem Album.
F: Würdest du sagen, ABSURD sind inzwischen wie KISS… nein, nicht jüdisch – aber ein Kult, der größer als die Summe (Bedeutung) seiner Teile (Mitglieder) ist?
A: Definitiv, und nur auf diese Weise konnte die Band seit mittlerweile 30 Jahren ihr Unwesen im Black Metal treiben. Bei Absurd handelt es sich um eine Institution im (deutschen) Black Metal, an der niemand, der sich für dieses Genre interessiert, vorbeikommt. Es ist mir eine Ehre, dass ich jetzt den großen Bogen schlagen kann zwischen den juvenilen „Sturm & Drang“-Anfängen und der heutigen Machtdemonstration von Absurd. Wenn auch die Musiker und Texter im Laufe der Jahre wechselten, so hat doch Absurd als Band es immer wieder verstanden, mit frischem Blut und neuen Ideen weiterzumachen und dabei auch besser zu werden. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern!
F: Was ist ganz allgemein deine Meinung zu Bootlegs? Und speziell zu ABSURD-Bootlegs?
A: Das ist ein weites Feld, denn die Auffassungen darüber, was ein „Bootleg“ ist, weichen doch stark voneinander ab. Das reicht von der klassischen Raubkopie bis hin zur Wiederveröffentlichung, mit der aber ein originär Beteiligter nicht einverstanden bist. Ich sehe es oft pragmatisch, denn die Nachfrage führt unweigerlich zum Angebot. Wenn zB ein Satyr darauf besteht, dass es von den alten Satyricon-Alben keine LP mehr geben soll, dann wird es über kurz oder lang eine unautorisierte Pressung geben: Weil die Fans danach verlangen, und nicht bereit sind, für ein Exemplar der Erstauflage horrende Preise zu zahlen. So eine Situation führt allerdings oft genug auch zu der zufriedenstellenden Lösung, dass die Band endlich ein Einsehen hat und eine eigene und offizielle LP-Fassung in Auftrag gibt, wie zB beim ersten Enslaved-Album geschehen. Gar nicht so verkehrt sind auch Fan-Editionen von längst vergriffenen Demos etc., die auf diese Weise archiviert und der Szene wieder zugänglich gemacht werden. Bei Absurd gibt es allerdings recht wenige „Bootlegs“; es wurde in der Vergangenheit darauf geachtet, dass man alle Aufnahmen bzw. Veröffentlichungen immer wieder nachpresst, und nachdem Wolf und Unhold sich darum nicht mehr kümmern konnten oder wollten, habe ich veranlasst, dass in der Diskographie von Absurd nichts vergriffen und lange ausverkauft bleibt. Auch zum jetzigen Zeitpunkt kann man alles, was unter Absurd aufgenommen und veröffentlicht wurde, auf verschiedenen Formaten problemlos bekommen. Da bleibt dann kein Raum für „Bootlegs“, meine ich.
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